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Baltikumreise 2008 | ||
Flughafen von Villnius
Sonnholzorgel Villnius U.Theisen an der Sonnholzorgel
Oberlinger Orgel / St. Kasimir
Radivicius Orgel / Kaunas
Dr. Girėnas Povilionis mit Blick
Orgel der Pfarre Troškūnai
Berg der Kreuze
Mag. art Herbert Rotter Walcker Orgel Opus 413 | BALTISCHE IMPRESSIONEN 30. April 2008 Ein viertägiges „Organo-Culinarium“ führte ab dem Morgen des 30. April vierzehn Orgelfreunde und Reiselustige aus dem Berchtesgadener Land, der Steiermark und dem Wiener Raum für vier Tage in die jungen EU-Staaten Litauen und Lettland. Die Tour war von Prof. Josef Hofer, Graz, unter kreativer Ausnützung seiner Verbindungen in die baltischen Staaten bestens vorbereitet und organisiert worden. Zum „professionellen Personal“ der Reise gehörten zudem zwei Orgelbaumeister und drei Organisten. Einer von ihnen ist im Hauptberuf Slawist und Musikwissenschaftler und konnte seine Russischkenntnisse sinnvoll anwenden trotz der Erinnerung an die sowjetische Herrschaft und des Blicks auf ihre Hinterlassenschaft darf man inzwischen wieder Russisch sprechen. 7 % der Bevölkerung Litauens sind Russen, und für die weltoffene Hansestadt Riga war Mehrsprachigkeit nie ein Problem und ist es auch heute nicht. Auch für mediale Präsenz war fast rund um die Uhr gesorgt: unser rasender Reporter Raimund Scherbaum ließ uns und unser und der Orgeln Wirken kaum einen Moment aus den Augen bzw. denen seiner Kameras. Wir können uns schon jetzt auf eine weitere professionelle DVD-Dokumentation freuen, denn Raimund ist ein ausgewiesener und prämierter Meister darin. Ein wegen des unsicheren Wetters etwas hektischer Hinflug mit Umsteigen in Riga konnte die von Anfang an überwiegend positiven Eindrücke und die Vorfreude keinesfalls trüben. Während der ganzen Reise waren wir, was die Orgeln angeht, in besten Händen. In Litauen betreuten uns der in Graz ausgebildete Pianist und Pädagoge Gytis Cinauskas, der sich auch als versierter gastronomischer Berater erwies, und der Musikwissenschaftler Dr. Girėnas Povilionis, der sich in der litauischen Orgellandschaft bestens auskennt. In Riga war es der Theologe und Organist Mikus Dzenitis, einer der Betreuer und „Vertrauten“ der weltberühmten Domorgel Fritz Walckers von 1883. Für Litauen wie für Lettland gilt: Optimismus, EU-Mitgliedschaft, hervorragend restaurierte Häuser in allen möglichen Baustilen und eine zuweilen exzellente gastronomische Landschaft können nicht über die deutlich sichtbaren Wunden hinwegtäuschen, welche die nicht nur die Religion negierende Sowjetherrschaft gerade in Litauen und besonders außerhalb der Städte geschlagen hat. Dies nicht nur in Bauwerke und Landschaftsbilder, sondern auch in Seelen und Charaktere. Unser Begleiter erzählte uns von seiner menschenverachtenden und demoralisierenden Ausbildung in der sowjetischen Armee und warnte vor allzu großem russischen Einfluss in Europa. Es gab am Rande des Programms überhaupt sehr viele Gespräche, etwa über den Charakter Europas, über Zeitgeschichte, über Integrationsfragen die Beschäftigung mit der Orgel erwies sich wieder einmal in mehrfacher Hinsicht als grenz-überschreitend. Die Folgen des Kommunismus holten uns auch bei unserer ersten Orgelbesichtigung ein: 1767 hatte der Königsberger Orgelbauer Adam Casparini, ein Neffe des Schöpfers der Görlitzer „Sonnenorgel“, die Orgel der Heilig-Geist-Kirche von Vilnius errichtet, die größtenteils original erhalten ist. Seit acht Jahren wird sie in staatlichem Auftrag und je nach finanzieller Verfügbarkeit etappenweise von dem Restaurator Gučas restauriert. Leider sind viele Pfeifen in einem Raum hinter der Orgel nicht unbedingt denkmalgerecht gelagert. Spielbar sind hinter dem seit langem eingerüsteten Prospekt vier Register, darunter eine wunderbar weicher und singender Principal 4’ und eine Vox humana. Der Zugang zur Orgel über abenteuerliche Stiegen und bebretterte Dachböden mahnt zum „bewussten Gehen“ und steht im krassen Gegensatz zu der farbenfroh strahlenden und lichten Barockkirche, die seelsorglich von polnischen Priestern betreut wird. Unser Orgel-Führer Dr. Povilionis klärte uns auf, dass Vilnius über 50 Kirchen verfügt, von denen jedoch nur wenige über repräsentative Instrumente verfügen. Bei einem Spaziergang durch die Altstadt waren weitere krasse Gegensätze zu beobachten, die traurig stimmen: Einerseits die auf den ersten Blick wie ein Tempel oder ein Opernhaus wirkende klassizistische Kathedrale mit ihrer Schuke-Orgel von 1963 in zum Ambiente passendem Gehäuse, andererseits die in Backstein erbaute Bernhardinerkirche mit einem schönen Gehäuse mit Schnitzereien aus der Barockzeit. Diese Orgel ist stumm, die hässlichen Ersatzpfeifen im Prospekt sind nur zum Teil vorhanden, ein geradezu barbarisch angebrachter Schwellkasten zerstört jegliche Ästhetik. Wenn auch keinerlei Restaurierungsaktivitäten erkennbar sind, ist die Tür zur Orgelempore dennoch mit Klebestreifen verschlossen. Die zweite Orgel aus neuerer Zeit steht übrigens in der derzeit eingerüsteten, aber für Gottesdienste und Konzerte zugänglichen Kirche St. Kasimir, deren Oberlinger-Orgel 1987 erbaut wurde. Die interessante Radavicius-Orgel von 1907 in der St. Peter- und Pauls-Kirche war leider während unseres ganzen Aufenthalts in der litauischen Hauptstadt unzugänglich. Juozapas Radavicius’ Orientierung an der spätromanti- schen französischen Orgel konnten wir später am Klang der Kathedralorgel von Kaunas nachvollziehen: In St. Peter und Paul hatte er sich gar vom Gehäuse der Cavaillé-Coll-Orgel in der Pariser Madeleine inspirieren lassen, hier aber eher bei einer deutsch anmutenden Disposition auf zwei Manualen und Pedal. Schon vor dem Abendessen hatten knurrende Mägen einige von uns in ein gleich neben dem Hotel befindliches „Palatschinken-Paradies“ getrieben, wo süße wie saure Geschmäcker bei einer fantasievollen Vielfalt an Kreationen gleichermaßen auf ihre Kosten kommen. Palatschinken, ob mit Fleisch, Marmelade oder Topfen gefüllt, gab es auch zum Frühstück. Weitere kulinarische Erlebnisse waren die von Gytis Cinauskas empfohlene „bierbegleitende“ Vorspeisenplatte, die das litauische Verständnis von „Restl-Kuchl“ darstellt: eingelegtes Gemüse samt Knoblauchzehen, Speckstreifen, Schweinsrüssel. Eine weitere und schnell sättigende Spezialität sind die so genannten Zeppeline, mit Faschiertem oder einer Speck-Zwiebel-Masse gefüllte angebratene rohe Kartoffelknödel. Was man wissen sollte: Während KellnerInnen bei uns gewohnt sind, sich kassierenderweise durch größte Reisegruppen zu quälen, haben (nicht nur) Litauer und Letten gern schnelle und klare Verhältnisse ohne große und zeitraubende Wechselei. Am besten sind klare Absprachen und nur eine Rechnung pro Tisch! Andere Länder, andere Sitten. 1. Mai 2008 auch Reisen ist Arbeit Unser zweiter Tag im Baltikum führte uns zunächst in die „zweite Hauptstadt“ Litauens, nach Kaunas, wo der Vormittag allein der Kathedrale und ihrer Orgel aus dem Oeuvre des Meisters Radivicius gewidmet war. Ein, wenn auch mehrfach mit bescheidensten Mitteln repariertes, „erträglich verschmutztes“, aber sonst original erhaltenes 63registriges Werk auf mechanischen Schleifladen mit Barkerhebel, aus dem Jahre 1882 und am französisch-romantischen Klangideal orientiert. Ähnlich wie die „heißersehnte“ Walcker-Orgel des Mariendoms in Riga bietet auch diese Orgel eine Weichheit im Klang trotz aller Kraft und Fülle. Das Tutti wirkt jedenfalls nie wie bei manchen neobarocken „Kreissägen“. Diese Orgel von Radivicius bietet alles, was das Organistenherz für eine romantische Deutung der Werke Mendelssohn-Bartholdys begehrt ein Cornet 8’ im Schwellwerk entpuppt sich etwa als wunderschöne lyrische Trompete, ideal für das Solo im 2. Satz der 2. Sonate. In der Basilika von Marijampolė zeigte sich in überzeugender Weise der orgelbauliche Blick nach vorne. Zwei junge Orgelbauer hatten die klassizistische Fassade der Vorgängerorgel rekonstruiert, um dahinter ihr großzügig und mit gewagten Trakturwegen angelegtes Werk zu bauen, das bei allem noch gut zugänglich ist. Unsere Orgelbauer lobten die saubere Verarbeitung. Die Orgel bietet klanglich ein breites Spektrum, um Literatur vom Barock bis zur Moderne darzustellen. Sie besitzt einen offenen 32’, und zwei Glockenspiele warten noch auf ihren Einbau. Die Trakturanlage erschwert allerdings das Spiel trotz elektrischer Koppeln, und der massige Spieltisch nach amerikanischem Stil (mit vertikalen Registerstaffeleien) und Plexiglas-Notenpult wirkt zumindest auf mich eher funktional-wuchtig als elegant. Dennoch: Die beiden Meister, die schon auf einige andere größere Instrumente zurückblicken können, verdienen größtes Lob, auch für die feinfühlige Intonation. Dieser mutige Schritt von Auftraggebern und Orgelbauern für eine größere Dorfkirche sollte uns zu denken geben, kommen wir doch aus Ländern, in denen neben Materialismus, Konsum und der Neigung, „human capital“ für kurzfristige Ziele zu verheizen, auch das Jammern und Resignieren zur Kultur geworden ist. Ich glaube, vieles Bejammerte (auch die Krise von Kirchen, Kirchenmusik und Orgelbau) gründet nicht so sehr auf Geldmangel wie eher auf einer Verschiebung von Lebens-Prioritäten. Näheres über die litauische Orgelwelt kann man auf www.vargonai.lt erfahren. Auf dem Rückweg verscheuchte die Frühlingssonne rechtzeitig die Wolken, um uns einen imponierenden Blick auf die Wasserburg Trakai, einen beliebten Ausflugsort im ganzen Baltikum, zu ermöglichen. Auch in Trakai gab es vor langer, langer Zeit eine der ältesten Orgeln in Litauen. 2. Mai 2008 Die Weiterreise nach Lettland wurde erstmals in dem Städtchen Troškūnai „unterbrochen“, zu unserer Überraschung wurden wir gleich zum Mittagessen eingeladen. Als Touristenmagnet wirkt der Ort vom ersten Eindruck her nun wirklich nicht, dennoch haben die Verantwortlichen, vor allem der Bürgermeister und der äußerst offen-kultivierte, zupackende und fließend deutsch sprechende Pfarrer, Großes vor. Nach und nach erfahren wir den gewaltigen Unterschied zwischen einst und jetzt: Als der Pfarrer seine Gemeindegebäude samt Pfarrhof und Kirche übernahm, bot sich ihm ein Bild der Zerstörung und Hoffnungslosigkeit die als Ruinen verbliebenen Räumlichkeiten hatte das sowjetische Militär „genutzt“. Heute sieht man neben der restaurierten, weiß leuchtenden Kirche ein vom Kolpingwerk getragenes Bildungs- und Jugendzentrum, dessen geistlicher Leiter der Pfarrer ist. Interessant an Troškūnai ist auch eine Schmalspurbahn, deren Direktor wir auch kennenlernen durften. In den Plan, die Bedeutung des Ortes für Kurgäste, Touristen und vor allem Kunstinteressierte zu heben, soll nun auch die Orgel der Kirche einbezogen werden, wobei mehrere Möglichkeiten diskutiert werden: In einem Barockgehäuse von etwa 1789, das eine „Schwester“ in Tytuyenai besitzt, steht ein desolates romantisches Werk von Radavicius. Hingegen sind Windladen und Pfeifen der ursprünglichen Orgel in dem Gehäuse von Tytuyenai erhalten. Soll man nun den „Orgel-Deal“ von damals rückgängig machen, den pedallosen (!) Originalbestand restaurieren oder die für heutige Musizierpraxis erforderlichen Register, besonders eine „Grundausstattung“ an Pedal, dazubauen? Oder wäre ein völliger Neubau, der sich an der Barockdisposition Jantzons orientiert, besser? Josef Hofers Idee ist es nämlich, außerhalb von Vilnius stilistisch verschiedene Orgel-Schwerpunkte zu setzen, auch für Unterricht und Wettbewerb, ist er doch Jurymitglied im Musikwettbewerb, der nach dem litauischen „Nationalkomponisten“ und Maler Mikolajus Konstantinas Ciurlionis benannt ist. Etwa eine Autostunde vor der Grenze zu Lettland liegt der „Berg der Kreuze“, eine Mischung aus touristischem Treffpunkt samt Souvenirmarkt (nicht nur spirituellen Charakters) und Gedenkstätte, die von ihren Besuchern mitgestaltet werden kann. So wie Lichter in der Kirche kann man hier für am Herzen liegende Verstorbene Kreuze verschiedener Gestalt und Größe kaufen und auf dem Hügel und um diesen Herum in die Erde stecken. Nach dem Einchecken in unser Hotel „Konventa sēta“ in der Altstadt von Riga, nur wenige Gehminuten von den interessantesten Gebäuden entfernt und selber ein Bauwerk mit langer Tradition, begaben wir uns zum Dom, wo ein Chor- und Orgel-Konzert mit dem Kammerchor von Kristiansund (Norwegen), einem Baritonsolisten und dem englisch-norwegischen Organisten Chris Clifton stattfand. Der Herkunft der Künstler entsprechend wurde ein selten zu hörendes Programm mit Musik norwegischer Komponisten (Grieg, Hovland, Nordkvist, Nystedt) geboten, in dem die Orgel schon einmal viel für den kommenden Vormittag versprach. Etwas enttäuscht waren wir zunächst vom äußeren Bild der Orgel, konnten uns aber schnell wieder beruhigen: Derzeit versuchen „Kunst-Archäologen“, dem Gehäuse von 1601 seine ursprüngliche Farbe (blau) wieder zurückzugeben, weswegen der ohnehin stumme Prospekt ausgebaut und in einer der rechten Seitennischen gelagert ist. Freudig erstaunt waren die „Konzertmanager“ unter uns über den zahlreichen Besuch des Konzertes. Schon in der Sowjetzeit waren Konzerte im damals säkularisierten Mariendom eine Tradition, und diese Pflege und der Erhalt der bedeutenden Walcker-Orgel war der sowjetischen Kulturpolitik ein Anliegen, so dass auch keine Kosten gescheut wurden, das Instrument zu dessen 100. Geburtstag von der niederländischen Firma Flentrop restaurieren zu lassen. Dem musikalischen Genuss (lediglich dem Chor möchte man baldigen jungen Nachwuchs wünschen) folgte wieder der kulinarische, und zwar im Rahmen eines schon im 13. Jahrhundert erwähnten Vinariums, eines Kellerlokals, mit Gerichten nach alten Rezepten und mit „authentischer“ Tafelmusik mit Fidel, Laute, Blockflöte und Trommel. Was mir in den Ohren nachklang, und das bis in den Schlaf, war der Klang der „alten Königin“ von 1883, deren Geheimnisse ich schon seit langem ergründen wollte. Einer der ersten Zeitungsausschnitte auf Russisch, den ich zu Gesicht bekommen hatte, war 1983 in der „Pravda“ ausgerechnet die Mitteilung über die Restaurierung der Domorgel von Riga. Es folgte der Kauf von Schallplatten mit Evgenija Lisicina (u.a. mit Vivaldis „Vier Jahreszeiten und einer Reger-LP). Der Münsterschwarzacher Benediktinerpater Dominikus Trautner nahm drei CD’s im Rigaer Dom auf, u.a. auch die Welturaufführung von Karg-Elerts Fantasie über „Näher, mein Gott, zu Dir“, geschrieben im Gedenken an den Untergang der „Titanic“. 3. Mai 2008 Es waren wohl alle recht froh, nicht wieder um 8.30 Uhr startklar sein zu müssen. Unser erster Termin nach dem Frühstück sollte um 9.30 Uhr die geführte Besichtigung der Domorgel sein. Ich war freudig überrascht, in der Eigenschaft des „Orgelführers“ Mikus Dzenitis wiederzusehen, der mit mir und zwölf anderen bei der Orgelsachverständigen-Weiterbildung in Ludwigsburg und Ochsenhausen die Schulbank gedrückt hatte. Nun galt es, die zur Verfügung stehende Stunde möglichst sinnvoll mit Fragen, Kletterei im Inneren und eigenem Spiel zu füllen. Mikus zeigte den näher Interessierten auch den auf der Unterempore befindlichen Zusatzspieltisch sowie das Funktionieren der Crescendowalze, die man als Organist nur starten, stoppen und in der Geschwindigkeit regulieren kann. Trotz der Fülle an Registern und Spielhilfen sind die Prinzipien dieser Orgel in kurzer Zeit durchschaubar, und man kann heute noch aus ihr für Orgelneubauten lernen. Ein bewegender Augenblick musste der Besuch an dieser Orgel für den Nachfahren des Erbauers gewesen sein: Michael Walcker stand während des Spiels neben mir und wechselte die Klangfarben, als sei er schon lange mit diesem Instrument vertraut. Von meinem ehemaligen Orgellehrer Wolfgang Wünsch stammt der Satz, eine Domorgel müsse einem den kalten Schauer über den Rücken jagen können. Viele heutige „Kraftkisten“ von Domorgeln können das auch und wurden sogar darin noch so verstärkt, dass es für empfindliche Ohren unerträglich ist. Der Kraft des Tuttis der Walcker-Orgel von Riga wird man besser gerecht, wenn man den „kalten Schauer“ durch „warme Ergriffenheit“ ersetzt. Egal, wie viel und was man von den 124 Registern zieht, es bleibt erträglich. Im leisen und mittleren Bereich verfügt das Instrument zudem noch über eine ganze Palette von Farben und Schattierungen, worin heutige Orgeln nicht mithalten können. Ich muss möglichst bald wiederkommen geht das anderen auch so? An das viel zu schnell vergangene Erlebnis schloss sich unter der sachkundigen Führung einer tiefgründig humorvollen Dame namens Liga ein Spaziergang durch die Altstadt an, in dem vor allem die alten europäischen Verbindungen vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert wieder lebendig wurden. In Riga war auch der junge Richard Wagner, bevor er sich nicht zum letzten Mal vor Gläubigern aus dem Staub machte, ebenso aber Hector Berlioz und Franz Liszt, die hier konzertierten. Auf unserem Weg begegnen wir einer aus Musiksendungen und Konzerten bestens bekannten schlanken Gestalt mit grauem Lockenkopf: Sir Simon Rattle hatte am Abend vorher seine Berliner Philharmoniker hier dirigiert. Nach dem Mittagessen in einem Restaurant am Rathausplatz, auf dessen Speisekarte auch die russische Küche präsent war, teilten sich die Interessen und Gruppen, und das orgelkundliche Programm des Nachmittags gestaltete sich eher als Privatissimum: Mikus Dzenitis führte uns mit seinem familienfreundlichen Achtsitzer an zwei interessante und original erhaltene Orgeln der Firmen Sauer (Jesuskirche, 1889) und Walcker (Lutherkirche, 1893). Die Sauer-Orgel der Jesuskirche steht in einem der klassizistischen Kirche entsprechenden Gehäuse und wurde 1992 restauriert. In der Lutherkirche probierten wir zunächst die Register aus. Als Herbert Rotter dann Franz Schmidts „Halleluja“-Präludium spielte, blieb dem 20registrigen Werk am Schluss vor lauter Ehrfurcht die Luft weg die Orgel erholte sich aber schnell wieder. 4. Mai 2008 Der Abreisetag, den ich eigentlich nicht mehr groß kommentieren muss und es auch nicht wollte zum Frühstück waren wir (fast) alle wieder an unseren Tischen bei unseren Lieben, um viel Schönes, aber auch Nachdenkliches berichten zu können und um uns zu freuen, dass wir nach einem schönen sonnigen Flug wieder heil in Schwechat gelandet waren. Mehr oder weniger nachtgeschädigt (draußen war bis in den Morgen ein Volksfest im Gange) tauchten wir um 5.00 Uhr mit Sack und Pack bei der Rezeption auf, um unser Lunchpaket zum Teil gleich zu verschlingen. Der dazu bereitstehende Kaffee war jedoch keinerlei Abschiedstrunk. Ich weiß nicht, wie es den anderen gegangen ist ich jedenfalls habe das Gefühl, mir mit der Teilnahme an dieser Reise und vor allem dem Besuch der Domorgel in Riga nicht nur große Herzenswünsche erfüllt zu haben, sondern auch sehr viel dazugelernt zu haben, für die Musik, für die Küche, vor allem aber für das Menschsein.
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